Von einer Verkehrswende ist Deutschland noch weit entfernt, meint der Mobilitätsexperte Stefan Carsten. Im Interview erklärt Stefan Carsten, woran das liegt und von welchen Ländern Deutschland lernen könnte.
Der Bundesverkehrsminister hat kürzlich 110 Millionen Euro Fördermittel für Fahrradparkhäuser an Bahnhöfen oder zentralen ÖPNV-Stationen zugesagt. Doch Stefan Carsten reicht das nicht. Seiner Meinung nach fehlen mehr als 1 Million solcher Stellplätze, was mindestens 3 Milliarden Euro kosten würde. Die versprochenen Gelder sind für ihn reine Symbolpolitik.
In vielen Ländern werden der öffentliche Verkehr, das Radfahren und das Zufußgehen immer stärker gefördert. Selbst in Ländern mit einer ausgeprägten Autokultur wie Frankreich oder Großbritannien.
In Deutschland wird aber immer noch deutlich mehr Geld für den Autoverkehr ausgegeben als für die Radverkehrsförderung. Stefan Carsten meint dazu, dass Deutschland die Herausforderungen der Gegenwart mit Antworten aus der Vergangenheit lösen will. Wenn sich daran nichts ändert, ist der Wohlstand in diesem Land massiv gefährdet“, so Carsten.
In den Niederlanden gibt es bereits in vielen Städten Fahrradparkhäuser. Sie sind modern, bewacht und mit zusätzlichen Dienstleistungen wie Reparaturservice oder Bikesharing ausgestattet. An diesen Fahrradparkhäusern sollte sich Deutschland ein Beispiel nehmen, ist Stefan Carsten überzeugt.
Damit auch in Deutschland fahrradfreundliche Verhältnisse entstehen, braucht das Land am besten eine Mobilitätsministerin, die weiß, wie sich Mobilität in Zukunft positiv entwickeln soll. Derzeit werden die Versuche, die Mobilität zu verändern, noch durch die Verkehrs- und Förderpolitik gebremst. Als Beispiel nennt Stefan Carsten 500 Kommunen, die Tempo 30 in ihren Ortschaften einführen wollen, dies aber durch gesetzliche Grundlagen des Bundes nicht möglich ist.
Trotz der vielen negativen Punkte gibt es auch einige positive Beispiele: Karlsruhe, Münster und Freiburg sind laut Stefan Carsten fahrradfreundliche Städte. Auch Berlin hat bereits Fortschritte gemacht und das weltweit erste Mobilitätsgesetz verabschiedet, das den Neu- und Ausbau von 3000 Kilometern Radwegen vorsieht. Stefan Carsten zweifelt allerdings an der Umsetzung des Gesetzes, da die Politik gesellschaftliche Trends bisher häufiger gebremst habe.
Laut der Langfristprognose zur Verkehrsentwicklung des Bundesverkehrsministeriums wird die Radverkehrsleistung bis 2051 um 36 Prozent auf 54 Milliarden Personenkilometer steigen. Stefan Carsten ist der Meinung, dass diese Prognose die Rolle des Fahrrads massiv unterschätzt.
60 Prozent des öffentlichen Raums in Deutschland stehen dem Auto zur Verfügung und in den meisten Planungsämtern dominiert immer noch ein autozentriertes Denken. Erst jetzt beginnt langsam ein Umdenken bei der Nutzung des öffentlichen Raums.
Bis die Verkehrswende auch in Deutschland wirklich angekommen ist, muss also noch viel passieren.
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